Wirksamkeit von Wildwarnanlagen
Die Zahl der gefahrenen Kilometer auf deutschen Straßen steigt kontinuierlich. Das dichte Straßennetz und das hohe Verkehrsaufkommen bergen dabei Kollisionsrisiken für Menschen und Wildtiere. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich eine große Bandbreite an Präventionsmaßnahmen entwickelt, um Wildunfälle zu reduzieren. Eine davon sind elektronischen Wildwarnanlagen (WWA). WWA sind technische Einrichtungen im Straßenraum, mit deren Hilfe mobile Wildtiere Straßen queren können und gleichzeitig die Gefahr eines Wildunfalls durch Warnung des Straßenverkehrs und der Anordnung einer Geschwindigkeitsreduktion verringert wird.
Wildwarnanlagen können in dynamische und statische System unterteilt werden. Dynamische Anlagen detektieren Wildtiere am Straßenrand und warnen den Fahrzeugführenden, währenddessen statische Anlagen direkt Geschwindigkeitsüberschreitungen von Fahrzeugen ermitteln und darauf basierend eine Wildunfallwarnung abgeben. Statische Anlagen sind somit von realen Wildtierereignissen im Straßenraum gänzlich entkoppelt. Aktuell (Stand 12.2022) befinden sich neun fest installierte Anlagen im Bundesgebiet. Dabei sind fünf Anlagen dynamisch, drei statisch und eine ist eine Hybridanlage.
Das Projekt untersuchte die Wirksamkeit von insgesamt sechs Anlagen für die Eignung als Wildunfallpräventionsmaßnahme im Straßenbetrieb hinsichtlich:
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Lage der fest installierten Wildwarnanlagen im Bundesgebiet (Sternsignatur). Rot = dynamische Anlagen, grau = statische Anlagen, schwarz = defekte Anlagen (je eine dynamische und statische Anlage). Schwarzer Punkt = im Bau befindliche dynamische Anlage an der B 247. (Karte: FVA)
- der ökologischen Wirkung
- der technischen Funktion
- der Auswirkung auf das Fahrverhalten
- der Kosten
Die ökologische Wirkung wurde an den lokal vorkommenden Wildtierarten, der Häufigkeit und dem Tierverhalten beim Einwechseln in die Anlage überprüft. Zusätzlich wurde eine Umfeldanalyse durchgeführt, um Verteilung von Landschaftstypen im Umfeld der WWA zu beziffern. Die technische Funktion wurde anhand der Auslösezuverlässigkeit einer WWA ermittelt, das heißt, wie zuverlässig Wildtiere tatsächlich von den Sensoren in einer WWA erkannt wurden, und wie oft die WWA ausgelöst hat, ohne dass sich Wildtiere im Querungsbereich befanden (Fehlauslösungen). Das Fahrverhalten setzte sich zusammen aus der täglichen Verkehrsdichte und dem Vergleich der Fahrtgeschwindigkeit zwischen ausgelöster und nicht ausgelöster WWA. Die Kosten wurden auf Grundlage der Installationskosten und des Betreuungsaufwands eingestuft. Die sechs untersuchten Wildwarnanlagen befinden sich in Baden-Württemberg (Aglasterhausen B292), Nordrhein-Westfahlen (Schermbeck B224, Kleve L484, Kleve B504), Sachsen-Anhalt (Stapelburg L85) und Schleswig-Holstein (Rastorfer Kreuz B202).
Methodik
Um die Wirksamkeit von Wildwarnanlagen bewerten zu können, kamen verschiedene Methoden zur Erfassung von wissenschaftlichen Daten zum Wildtier- und Fahrverhalten zur Anwendung. Zum einen wurden Fotofallen installiert, die das Vorkommen und die Anzahl an Wildtier-Ereignissen im Anlagenbereich ermittelten. Zusätzlich wurden Wärmebildkameras im Querungsbereich eingesetzt, welche das Verhalten von Wildtieren im Querungsbereich aufzeichneten. Verkehrszählgeräte vor, in, und nach einer WWA lieferten Informationen über die tägliche Anzahl an Fahrzeugen, welche die Wildwarnanlage passierten und deren Fahrzeuggeschwindigkeit. Um zu ermitteln, wie zuverlässig die Sensoren im Querungsbereich einer Anlage Wildtiere detektierten, wurden die Anlagen-spezifischen Loggerdaten, welche Auskunft über den Auslösungsstatus einer WWA geben, mit den erfassten Wildtierereignissen auf den Fotofallen und Wärmebildkameras verglichen.
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Schematische Übersicht des methodischen Aufbaus an der Wildwarnanlage B 292 Aglasterhausen mit Detailansichten des Querungsbereiches Aglasterhausen (links) und Breitenbronn (rechts). Die roten Linien stellen den Wildschutzzaun dar. Die Verkehrszählgeräte (graue Quadrate) sind vor, nach und in den Querungsbereichen positioniert. Die Wärmebildkameras (blaue Trapeze) sind im Querungsbereich installiert. Die Fotofallen (gelbe Kreise) befinden sich sowohl in den Querungsbereichen, als auch an einer Wildausstiegshilfe im mittleren Bereich der Wildwarnanlage, sowie am Ende des Wildschutzzaunes an der Abzweigung der K3939 nach Norden. Die Pfeile geben die Ausrichtung der Fotofalle bzw. Wärmebildkamera an. (Kartengrundlage: OpenCycleMaps)
Ergebnisse
Generell wird empfohlen, dynamische und statische Anlagen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionsweise differenziert voneinander betrachtet werden. Fazit der Untersuchung ist, dass sich derzeit keine der untersuchten Anlagen in einem günstigen, funktionalen Zustand befindet. Dennoch können WWA unter bestimmten Rahmenbedingungen eine effiziente Maßnahme in der Wildunfallprävention darstellen.
Die Untersuchungen deckt erhebliche Wissenslücken zum Einsatz und der Wirksamkeit von WWA zur Reduktion von Wildunfällen auf. Derzeit gibt es weder national noch international einen Leitfaden zur Einrichtung von WWA, in dem die wesentlichen Rahmenbedingungen und bewährte technische Ausstattung zusammengestellt sind. Es wird empfohlen, durch weitere Untersuchungen und technische Erprobungen bestehende Wissenslücken im Abgleich mit internationalen Erfahrungen zu schließen und einen Leitfaden zur Anlage von WWA zu erarbeiten.
Das Projekt (FE 03.0576/2019/FRB) wurde im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Referat V2, durchgeführt.
Eine Veröffentlichung der Projektergebnisse erfolgt derzeit über das Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr.