Biodiversität entlang eines Bewirtschaftungsgradienten

Die naturnahe Waldwirtschaft fördert zwar vertikal strukturierte Waldbestände, offene Störungsflächen und Strukturen der Alters- und Zerfallsphasen sind jedoch rar. Waldarten, die an solche defizitären Strukturen gebunden sind, sind daher häufig gefährdet. Zur Struktur- und Biodiversitätsförderung im Wald kommen daher unterschiedliche Naturschutzinstrumente zum Einsatz, die gleichzeitig einen Gradienten der forstlichen Nutzungsintensität repräsentieren: von Nicht-Nutzung in großen Naturwaldreservaten bis hin zur Strukturförderung und Auflichtung durch intensive forstliche Eingriffe, wie dies schwarzwaldweit im Rahmen des Aktionsplans Auerhuhn umgesetzt wird. Doch welche Artengruppen profitieren wovon? Wie lange dauert es, bis sich die gewünschten Lebensraumstrukturen einstellen? Und kann durch einen kombinierten Einsatz verschiedener, komplementärer Instrumente die Waldbiodiversität auf Landschaftsebene erhöht werden?

Um diese Fragen zu beantworten werden im montanen und hochmontanen Bergmischwald unterschiedliche Flächentypen miteinander verglichen: je eine Prozessschutzfläche, eine naturnah bewirtschaftete Fläche und eine Fläche, auf der im Jahr 2018 eine starke Auflichtungsmaßnahme (mindestens 0.5 ha) erfolgte. Im Jahr 2021 wurde das Untersuchungsdesign im Rahmen des Notfallplans Wald durch rezente Störungsflächen ergänzt. Dieses „Quartett-Design“ wurde 15-mal über den Schwarzwald repliziert. Im Rahmen mehrerer Forschungsmodule werden Waldstruktur, Bodenvegetation sowie mehrere faunistische Artengruppen über mehrere Jahre hinweg untersucht. Die Erfassung des waldstrukturellen Kontexts der Flächen erfolgt mittels Fernerkundung (Stereo- Luftbildinterpretation).

Projektmodule

Die Waldstrukturen sowie die Bodenvegetation werden an je fünf fest vermarkten Aufnahmepunkten im zentralen Hektar erfasst. Waldstrukturen werden jeweils im Radius von 12,62 m (500 m²), Bodenvegetation im Umkreis von 5,64 m (100 m²) aufgenommen. Die Erfassung findet einmal im Jahr (zwischen Mitte Juli und Anfang Oktober) statt. 

Aufgrund der großen Artenzahl, der gut bekannten, spezifischen Standortansprüche (Licht, Wasserhaushalt, Temperatur und Nährstoffverfügbarkeit) und der leichten Erfassbarkeit im Gelände ist die Bodenvegetation eine interessante Indikatorgruppe um die Auswirkung von Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität zu untersuchen. Zudem ist das Vorkommen vieler anderer Arten eng verknüpft mit der Vegetation, da diese wichtigen Ressourcen wie Nahrung oder Brutstätte bietet. Im Vegetationsmodul werden auf jedem Hektar die Baum-, Strauch-, Kraut-, Moos- und Flechtenschicht auf Artebene aufgenommen. Dies geschieht auf fünf Dauerbeobachtungsflächen   à 100 m² auf jeder der 60 Untersuchungsflächen.  Da Lichtverfügbarkeit für die Krautschicht im Wald häufig der limitierende Faktor ist, wird diese mit Hilfe eines Lichtmessgerätes (Plant Canopy Imager CL-110) quantifiziert. Die Vegetation reagiert sehr schnell auf sich verändernde Umweltbedingungen. Dies ist gerade bei großen Störungen, wie auf den natürlichen Störungsflächen und den anthropogen geschaffenen Freiflächen, sehr spannend. Die Vegetation passt sich an die neuen Umweltbedingungen an – schattentolerante Arten werden verdrängt und andere lichtbedürftige Arten übernehmen die Regie. Mit den Vegetationsaufnahmen möchten wir gerne folgendes herausfinden:

- Welche Arten profitieren durch die Freiflächen und somit einer erhöhten Heterogenität der Ressourcenverfügbarkeit auf Landschaftsebene?

 - Wird die gesamte Artenanzahl erhöht, weil spezialisierte Arten koexistieren können?

- Außerdem erhoffen wir uns die räumlichen und zeitlichen Veränderungen von Arten besser zu verstehen, um zum Beispiel herauszubekommen welche Arten auf ungestörte alte Wälder angewiesen sind.

Zur Ermittlung der Habitateignung für das Auerhuhn wird an den fünf Waldstruktur-/Vegetations-punkten innerhalb des zentralen Hektars sowie an acht zusätzlichen Punkten innerhalb des 10 ha Umkreises eine Habitatstrukturaufnahme durchgeführt. Dabei werden in einem Radius von 12,62 m Habitatstrukturen aufgenommen sowie in einem Radius von 5,64 m indirekte Nachweise (Losung, Federn etc.) gesammelt.

Die Brutvogelkartierung wird mittels Linienkartierung auf einer 10 ha großen Fläche um den 1 ha großen Untersuchungsplot durchgeführt. In der Mitte des zentralen Hektars wird zusätzlich eine “Punkt-Stopp“ Kartierung durchgeführt. Parallel wird die Eignung bioakustischer Aufnahmen getestet.

Großsäuger werden mit Hilfe von Wildtierkameras erfasst. Die Aufnahmen erfolgen von April bis Oktober, über den Winter werden die Kameras abgebaut. Die Kameras sind so ausgerichtet, dass sie einen zufällig ausgewählten jedoch deutlich erkennbaren Wildwechsel aufnehmen.

Die Artengruppe der Fledermäuse wird stationär bioakustisch an zwei Aufnahmepunkten im zentralen Hektar
erfasst. Pro Fläche erfolgt die Aufnahme zwischen Mai und September insgesamt dreimal an je drei
Aufnahmenächten.

Die Tagfalter werden mittels Transektzählung erfasst (500 m Transekt) in Schleifen über die zentrale Hektarfläche. Wenn keine eindeutige Identifikation durch Beobachtung möglich ist, werden sie mit einem Kescher gefangen, in einem durchsichtigen Gefäß bestimmt und nach erfolgter Bestimmung wieder freigelassen. Die Erfassungen erfolgen dreimal im Jahr (Mai, Juni, Juli).

Xylobionte Käfer werden mithilfe von drei verschiedenen Methoden erfasst:

  • Polytraps: auf jeder Untersuchungsfläche wird eine Kreuzfensterfalle (Polytrap) an einem Holzgalgen installiert. Die Käfer, die an die Prallfläche der Falle fliegen, werden in einem mit Polypropylenglykol gefüllten Auffangbehälter gefangen. Die Fallen werden im vierwöchigen Intervall zwischen Mai und August geleert.
  • Leimring: auf jeder Untersuchungsfläche wird ein Leimring (transparente Baufolie der Größe 0,5 m x 1,0 m mit Leimüberzug) an geeigneten Baumstrukturen befestigt. Zusammen mit den Kreuzfensterfallen werden die Leimringe im vierwöchigen Intervall zwischen Mai und August abgesammelt und zur Bestimmung mitgenommen.
  • Handfänge: auf jeder Untersuchungsfläche finden drei Handfänge pro Jahr (Mai, Juni, Juli) statt. Dabei werden die Käfer lebendig auf der Fläche belassen, insofern eine Bestimmung vor Ort möglich ist. Anderenfalls werden die Käfer zur Bestimmung mitgenommen.

 

In den Kreuzfensterfallen, die zum Fangen der xylobionten Käfer genutzt werden, verfangen sich natürlich auch alle anderen flugfähigen Insekten. Damit wir diese Informationen auch nutzen können, werden diese Beifänge per Metabarcoding analysiert.

Mit dem Einsatz von Fernerkundung werden die biodiversitätsrelevanten Waldstrukturen und deren Entwicklung erfasst. Dafür werden die aus den amtlichen Luftbilddaten abgeleiteten Waldstrukturen (Bereitstellung durch das Projekt "Mobitools") auf allen FFK Flächen und in deren Umgebung analysiert.

Auf 15 Freiflächen findet zusätzlich eine Drohnenbasierte Erfassung von Walddynamik mit dem Schwerpunkt, die Verjüngung und ihre Entwicklung anhand einer Zeitreihe zu beobachten. Die Drohnenaufnahmen werden durch das Projekt "Walddrohnen" durchgeführt.

Weitere Informationen

  • In das Versuchdesing integriert ist außerdem ein unser Projekt zu Biodiversität auf Störungsflächen. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Projektseite:
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